Ulm
Meine Geburts- und gleichzeitig meine Lieblingsstadt ist Ulm an der Donau und diese Stadt möchte ich hier etwas näher vorstellen. Denn obwohl man oft durch Ulm fährt oder geht, weiß man eigentlich kaum näheres über diese schöne Stadt.
D'Ulmer Spatza sind bekannt, grad wie d'Ulmer Knöpfla.
Kennt ma net au überall d'Ulmer Pfeifaköpfla?
Ulmer Spargla, Ulmer Geld und da Ulmer Schneider,
Kennt ma z'London und z'Paris und vielleicht no weiter,
Ulmer Wecka kennt ma au wie au d'Ulmer Schachtla,
D'Ulmer Mädla, gschmack und lind, wie im Spätherbst d'Wachtla.
Ulmer Fischer, Ulmer Bier, Ulmer Laugabretzla,
Ulmer Schübling, Zuckerbrot, und au d'Ulmer Spätzla.
Echte Ulmer Griebagäns' spickfett vorn und hintn!
Ja des älles und no maih' kannsch en Ulm drinn finda.
Das Ulmer Münster ist die zweitgrößte Kirche Deutschlands (nur der Kölner Dom ist größer). Das Münster ist 123,56 m lang, 49,60 m breit und sein Kirchenschiff ist 41,60 m hoch; es hat eine Fläche von 6000 m² und bietet 20.000 Besuchern Platz. Die Grundsteinlegung war am 30.06.1377, genau drei Stunden nach Sonnenaufgang. Mit dem höchsten Kirchturm der Welt – nämlich 161,53 m – ist das Münster das Wahrzeichen der Stadt Ulm. Der Münsterturm hat 768 Stufen und mehrere Aussichtsterrassen. Der Münsterbau wurde allein durch die Ulmer Bürger (durch Opfer und Spenden) finanziert, was mit ein Grund ist, warum der Bau so lange dauerte. Erst am 31.05.1890 wurde das Münster fertiggestellt. Grund für den Bau war, daß die ehemalige Pfarrkirche außerhalb der Stadtmauer lag und bei Belagerung nicht besucht werden konnte. Zudem fanden Feinde darin Schutz. Deshalb entschloß man sich, die außerhalb gelegene Pfarrkirche "Unserer lieben Frau über dem Felde" (toller Name) abzureißen und innerhalb der Stadtmauer eine neue, größere Kirche zu bauen. Einige Teile der alten Kirche fanden Verwendung im Münster. So sind ganze Bauteile ins Münster integriert worden, etwa das um 1360 geschaffene Braut- sowie die nördlichen Seitenportale. Und ganz normale Steinquader der alten Kirche finden sich im Backsteinmauerwerk des Chores. Auf den Schultern sollen die Ulmer die Steine in die Stadt transportiert haben.
Das Münster, von manchen auch "Der Finger Gottes" genannt, wurde in mehreren Epochen erbaut, benannt nach den jeweiligen Baumeistern: Die 1. Epoche ist die der Parler (1377 – 1391), die 2. Epoche die der Ensinger (1392 – 1476) und die 3. ist die Epoche der Böblinger und Engelberger (1477 – 1543).
Ein während des
Bildersturms zerstörter Altar
1530 trat Ulm aufgrund einer Abstimmung mit 1621 zu 243 Stimmen zum evangelischen Glauben über. Am 21.06.1531 wurde das Münster vom Bildersturm erfaßt, dem neben dem Hochaltar fast 50 Altäre und viele Skulpturen zum Opfer fielen. Nur wenige Familien retteten ihre Altäre. Damals hatten nämlich viele Familien ihre eigenen Altäre im Münster. Die Überreste dieser Altäre sind noch heute an den Wänden und Säulen zu sehen. Die Ausstattung der Kirche mit ihren über 50 Altären stand im krassen Gegensatz zur neuen Lehre. Der Bildersturm ist jedoch nicht als wilde Zerstörungsorgie mißzuverstehen. Vielmehr legte der Rat den Besitzern der Altäre nahe, diese aus dem Münster zu entfernen. Das Chorgestühl stellte der Rat unter seinen Schutz. Dieses einmalige Gesamtkunstwerk, mit seinen Darstellungen griechischer und römischer Künstler, Gelehrter und Sibyllen, war 1468 bis 1474 in der Werkstatt des Ulmer Schreinermeisters Jörg Syrlin d. Ä. entstanden. Wozu brauchte eine Bürgerkirche ein Chorgestühl? Dort werden wohl die zahlreichen Priester der Privataltäre Platz genommen haben. Vielleicht wollte Ulm aber auch mit dem Domkapitel in Konstanz konkurrieren, das sich gerade ein solches Chorgestühl geleistet hatte.
Zwei Sibyllen im Chorgestühl
1543, also 166 Jahre nach Baubeginn, wurde der Bau eingestellt. Der Rat ließ die Arbeiten "zur Verhütung der Kosten" stoppen. Das Schicksal, nicht vollendet worden zu sein, teilte das Ulmer Münster mit einer ganzen Reihe weiterer mittelalterlicher Dome, wie denen von Köln, Regensburg, Bremen und Meißen. Diese Tatsache lässt den Baustopp in einem anderen Licht erscheinen: Es waren wohl nicht nur statische und finanzielle Gründe, sondern wohl eher der gewandelte Zeitgeist: Man wollte an der Schwelle zur Renaissance kein Geld mehr investieren in die Vollendung eines Bauwerks im Stile der inzwischen überholten Gotik. Erst der Nationalismus des 19. Jahrhunderts und die damit erwachende Begeisterung für das Mittelalter erhoben die Vollendung dieser Bauwerke – allen voran die des Kölner Doms – zur nationalen Aufgabe. In Ulm galt es jedoch zunächst einmal, das mittlerweile baufällig gewordene Münster vor dem Einsturz zu bewahren. Dabei wurde auch über den Ausbau des Hauptturms nachgedacht.
300 Jahre später wurden mit dem Einzug eines neuen Wohlstandes ab 1844 die Bauarbeiten wieder aufgenommen. Es begann mit den Sicherungsmaßnahmen für den Weiterbau allgemein sowie mit dem Ausbau der beiden Chortürme. Das Kirchenschiff, das bei jedem Sturm stark schwankte, musste stabilisiert werden. Dazu spannte Münsterbaumeister Ferdinand Thrän zwischen 1856 und 1870 die 18 Meter weiten steinernen und dennoch so filigranen Strebebögen über die Seitenschiffe. Ab 1880 mußten erneut Erhaltungsmaßnahmen eingeleitet werden, bevor von 1885 bis 1890 der Turm mit dem Aufsetzen einer Kreuzblume nach dem Plan Böblingers vollendet wurde. Fortan hatte das Münster sein heutiges Aussehen und seitdem hat Ulm mit 161,53 m den höchsten Kirchturm der Welt. Von 1885 bis 1889 war es sogar das höchste Gebäude der Welt, bis dann der Eiffelturm in Paris fertiggestellt wurde.
Der Ausbau des Hauptturms sollte sich an den Plänen des Matthäus Böblinger orientieren. Doch Münsterbaumeister August von Beyer streckte den Turm um zehn Meter gegenüber dem ursprünglichen Plan, der 151 Meter vorgesehen hatte. Warum? Wollten die Ulmer den Kölner Dom mit seinen 157 Metern in den Schatten ihres Münsters stellen? Dieser heute noch gehegte Verdacht wurde schon während der Ausbauarbeiten in Köln laut. Er wurde aber in Ulm entschieden zurückgewiesen. Der Ulmer Turm, so das Gegenargument, sei schon im Mittelalter mächtiger angelegt worden als die Kölner Türme. Als weiterer Grund für die Erhöhung wird die Perspektive geltend gemacht: Um die Proportionen des Turmes für die Betrachter auf dem Münsterplatz harmonischer erscheinen zu lassen, habe Beyer nicht nur die Höhe nach oben korrigiert, sondern auch das Verhältnis zwischen den beiden Abschnitten des neuen Teils zugunsten des oberen verändert.
Ende 1944 begannen die schweren Bombardierungen auf Ulm. Nach dem vernichtenden Fliegerangriff auf Ulm am 17. Dezember 1944 waren 81 % der Altstadt zerstört, das Münster jedoch blieb - dank raschem Eingreifen des Luftschutzes - verschont. Angeblich hatten die amerikanischen Piloten den Befehl "Don't hurt the cathedral", aber ob dies wirklich so war, konnte bislang nicht 100%ig belegt werden. Allerdings wurden die aus dem 19. Jahrhundert stammenden Fenster zerstört. Die kunsthistorisch bedeutenden mittelalterlichen Chorfenster waren rechtzeitig aus der Kirche ausgelagert worden. Heute noch sind in einigen Fenstern des Münsters provisorische Gläser ohne besondere Darstellungen angebracht. Bislang fehlte das Geld, um alle Fenster neu mit Fenstergemälden auszustatten. Kurz vor Kriegsende explodierte noch eine Sprengbombe im Chorgewölbe, was jedoch neben den Fenstern der einzig nennenswerte Kriegsschaden am Münster blieb.
Heute wird große Mühe darauf verwendet, den Bauzustand des Münsters zu erhalten, wofür jährlich mehrere hunderttausend Euro aufzubringen sind. Derzeit sammelt die Münstergemeinde für einen neuen Glockenturm, denn seit einiger Zeit sind die Münsterglocken aufgrund des maroden Glockenturms außer Betrieb. An dieser Stelle darf ich als Münsterfan auf das Spendenkonto hinweisen:
Evangelische Münstergemeinde
Konto-Nr.: 163 277
Sparkasse Ulm
BLZ 630 500 00
Kennwort: "Münsterglocken"
860.000,00 € werden für die Sanierung benötigt. Erst wenn das Geld zusammen ist und die Finanzierung steht, kann mit den Arbeiten begonnen werden. Da das Münster von je her von den Bürgern Ulms finanziert wurde, dürfte es Ehrensache sein, dass auch in diesem Fall die Ulmer Bürger ein wenig Geld für ihr Münster übrig haben.
Und da wir gerade beim Thema sind, möchte ich ein wenig über die Münsterglocken schreiben. Im Hauptturm des Münsters befinden sich insgesamt 13 Glocken, von denen zehn geläutet werden können. Von diesen bilden folgende (in der Reihenfolge ihres Einsetzens beim Läuten) das Festtagsgeläut gemäß der Ulmer Läuteordnung:
Schiedglocke: Die Schiedglocke (auch als Glocke 9 bezeichnet) ist auf den Nominalton c² gestimmt und wurde 1956 von der Glockengießerei Kurtz in Stuttgart hergestellt. Sie hat einen Durchmesser von 83 cm und ein Gewicht von 345 kg. Sie steht in der Tradition der Glocken, die geschlagen wurden, sobald der Tod eines Gemeindemitglieds bekannt wurde.
Taufglocke: Die Glocke 8 mit der Stimmung b1, einem Durchmesser von 83 cm und einem Gewicht von 506 kg entstand ebenfalls 1956 bei der Stuttgarter Gießerei Kurtz. Sie läutet während des Gottesdienstes zum Taufakt. Seit Jahrhunderten empfangen die Menschen am alten Taufstein des Münsters die Heilige Taufe.
Landfeuerglocke: Die Landfeuerglocke (Glocke 7; Stimmung as1) stammt aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Ihr Durchmesser beträgt 114 cm, ihr Gewicht 900 kg. Sobald der Türmer eine Gefahr wahrnahm, sei es Feuer oder herannahende Feinde, wurde die Landfeuerglocke geläutet. Sie stammt ursprünglich aus der "Kirche zur lieben Frau – vor den Toren der Stadt".
Kreuzglocke: Diese Glocke mit der Alternativbezeichnung Glocke 6 und dem Nominalton f1 wurde 1956 von der Firma Kurtz aus Stuttgart gegossen. Sie hat einen Durchmesser von 124 cm, wiegt 1.248 kg und wird täglich zur überlieferten Sterbestunde Jesu um 15.00 Uhr geläutet. Sie erinnert an Jesu Leiden und Sterben am Kreuz. Am Karfreitag ruft sie die Menschen zum Passionskonzert ins Münster. Danach schweigen die Glocken bis zum Ostermorgen.
Kleine Betglocke: Die ebenfalls 1956 bei der Firma Kurtz in Stuttgart hergestellte Kleine Betglocke oder Glocke 5 mit einem Durchmesser von 139 cm und einem Gewicht von 1.766 kg ist auf es1 gestimmt. Sie eröffnet jeden Tag mit dem Morgenläuten um 06.00 Uhr und schließt den Tag mit dem Nachtläuten um 20.00 Uhr ab. Nachdem 1942, während des Zweiten Weltkrieges, fünf Glocken aus dem Münsterturm zur Produktion von Waffen eingeschmolzen wurden, konnten durch große Anstrengung der Ulmer Bürger im Jahre 1956 fünf neue Glocken auf den Münsterturm gebracht werden, unter ihnen die Kleine Betglocke.
Große Betglocke: Die Große Betglocke bzw. Glocke 3 oder Vaterunser-Glocke mit der Stimmung c1 entstand im Jahr 1454 bei der Gießerei Eger in Reutlingen. Sie hat ein Gewicht von 3.800 kg bei einem Durchmesser von 170 cm. Sie war die erste Glocke, die am 21.10.1454 nach 77jähriger Bauzeit auf dem Turm erschallte. Seither begleitet sie bis zum heutigen Tag das Beten der Gemeinde während des Vaterunsers.
Dominica: Diese Glocke mit dem Nominalton b0, die auch als Glocke 2 oder Reformationsglocke bezeichnet wird, stammt aus dem Jahr 1931 und wurde bei Kurtz in Stuttgart gegossen. Ihr Durchmesser beträgt 185 cm, ihr Gewicht 4.301 kg. Sie wurde aus Anlaß des 400-jährigen Jubiläums der Einführung der Reformation in der freien Stadt Ulm im Jahr 1931 gegossen. Ihr weicher klangvoller Ton ruft die Ulmer täglich um 12.00 Uhr zum Mittagsgebet.
Gloriosa: Mit 199,5 cm Durchmesser und einem Gewicht von 4.912 kg ist die 1956 bei Kurtz in Stuttgart hergestellte Gloriosa oder Glocke 1 die größte und schwerste und mit der Stimmung as0 zugleich auch die am tiefsten klingende Glocke des Ulmer Münsters. Bis 1953 wurden alle Glocken von Hand geläutet. Die Türmer und die Läutebuben des Evangelischen Jugendwerks hatten alle Hände voll zu tun, um die Glocken zum Klingen zu bringen. Die Gloriosa ist das Fundament für das Festgeläut und die am tiefsten klingende Glocke. Sie wird jedes Jahr am 17. Dezember um 19.15 Uhr zur Erinnerung an den Luftangriff auf die Stadt Ulm im Jahr 1944 15 Minuten lang geläutet.
Gloriosa
Domenica
Das Geläut ist in dieser Form an Silvester um 24.00 Uhr, am Karsamstag um 20.00 Uhr, am Ostersonntag um 05.30 Uhr bzw. um 06.00 Uhr, zu den Hauptgottesdiensten am Ostersonntag und Pfingstsonntag sowie am Ende der Schlussfeier des Württembergischen Landesposaunentages zu hören.
Die folgenden beiden Glocken können ebenfalls geläutet werden, sind aber nicht Teil des Fest- bzw. Hauptgeläuts:
Schwörglocke: Die 3.500 kg schwere Schwörglocke mit der Bezeichnung Glocke 10 hat einen Durchmesser von 164 cm und stammt aus dem 14. Jahrhundert. Diese auf c1 gestimmte Glocke wird mit einem Hanfseil von Hand geläutet und erklingt nur einmal jährlich am Schwörmontag, während der Oberbürgermeister einen Eid auf den großen Schwörbrief von 1397, eine Art Verfassung der Stadt Ulm, ablegt. Diese Glocke ist älter als das Ulmer Münster und hing vorher in einer "Kirche über Feld", außerhalb der Stadt in der Nähe des heutigen alten Friedhofs.
Leichenglocke: Im Jahr 1678 wurde die Leichenglocke oder Glocke 4 bei der Firma Ernst in Lindau gegossen. Sie wiegt 1.750 kg bei einem Durchmesser von 142 cm und besitzt den Nominalton des1. Jedesmal wenn ein Gemeindeglied der Münstergemeinde beerdigt wird, wird sie geläutet.
Außerdem befinden sich im Münsterturm drei weitere Glocken aus den Jahren 1440, 1606 und 1751, die nicht geläutet, sondern nur mit einem Hammer angeschlagen werden können:
Stundenschlagglocke: Die Stundenschlagglocke ist auf g1 gestimmt. Sie hat ein Gewicht von 1.500 Kilo. Vermutlich ist sie die erste Glocke, die fürs Münster gegossen wurde, nämlich 1414, als das Münster weder Turm noch Glockenstuhl hatte. Wo sie damals hing ist nicht bekannt. Ihre Umschrift lautet: Ich or glock pin der stadt zu ulm eigen und hat mich gossen der seisz glockengisser zu nurrenberg nach cristi gepurt m cccc x iiii iar.
Torglocke: Diese Glocke wird erst seit Ende des 19. Jahrhunderts irrtümlich so bezeichnet. Denn zum Schließen der Stadttore läutete die heute so genannte Landfeuerglocke. Die Torglocke hieß damals noch Frühglocke. Ihre Urversion wurde 1420 durch den Ulmer Glockengießer Jörg Castner gefertigt. 1644 mußte sie von Hans Diebolt Algeyer umgegossen werden. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts hing sie im Glockenturm. Später wurde sie in die obere Abteilung umgehängt, da ihr Ton als unrein empfunden wurde. Bereits 1907 wurde sie außer Betrieb genommen, nur wenn ein Delinquent frühmorgens hingerichtet wurde, wurde sie geschlagen. Ihren Platz im Geläut nahm 1931 die Neue Torglocke ein, die später durch die Schiedsglocke abgelöst wurde.
Henkersglöckchen: Es ist die kleinste der 13 Glocken und hängt oben bei der Schlagglocke. Es wurde 1606 von Valentinus Algeyer in Ulm gegossen und hieß jahrhundertelang Arbeitsglöcklein oder Werkglöcklein, da es Arbeitsbeginn und -ende bekanntgab. Seinen gruseligen Namen dürfte es einer Verwechslung mit der Torglocke verdanken.
Am 16.09.2005 hörte man die Glocken das letzte Mal. Da der Glockenstuhl renoviert werden musste, wurden alle Glocken abgenommen. Ein Teil war im Münster ausgestellt, der andere Teil wurde aus diesem Anlaß zur Restauration gebracht. Ursprünglich sollte die Renovierung des Glockenstuhls nur ein knappes Jahr dauern. Im Verlauf der Reparaturen stellte sich jedoch heraus, daß der Glockenstuhl doch in schlimmerem Zustand war als gedacht. So verstummten die Glocken für drei lange Jahre. Dank der vielen Spenden - vor allem durch Ulms Bürger - erklangen sie am 12.04.2009, dem Ostersonntag, das erste Mal wieder. Anläßlich dieses Tages wurde der Glockenstuhl für die Bevölkerung geöffnet.
Das Münster im Wandel der Zeit
Das Münster hat fünf Portale: das Westportal (= Haupteingang) und vier Seitenportale – auf der Nordseite das kleine Marienportal und das Passionsportal und auf der Südseite das Brauttor und das große Marienportal. In den Winkeln zwischen den Türmen und dem Chor liegen die Privatkapellen zweier Patrizierfamilien: auf der Nordseite die Neithartkapelle, auf der Südseite die Bessererkapelle. Auf der Südseite befindet sich auch das Gründungsrelief. Es zeigt unter einer ausführlichen Inschrift den Bürgermeister Lutz Krafft mit seiner Frau. Sie halten das Modell der Kirche. Mit 42 m Höhe ist das Mittelschiff der Kirche nahezu dreimal so hoch wie breit.
Von höchstem künstlerischem Rang ist das Chorgestühl, das den Chorraum an drei Seiten einfaßt. Das Werk schuf Jörg Syrlin d. Ä. (= der Ältere) von 1469 bis 1474. Neben zehn Sibyllen sind unter anderem Secundus, Ptolemäus, Cicero und Pythagoras zu sehen. Die Krönung der Ausstattung war einst der Choraltar. Er fiel jedoch ebenfalls den Zerstörungen im Bildersturm zum Opfer. Heute steht an seiner Stelle einer der wenigen geretteten Privataltäre.
Eine Besonderheit des Münsters sind die 134 Totenschilde. Es sind Denkmäler des 15. bis 18. Jahrhunderts für einzelne Verstorbene aus vornehmen Familien.
Schon vor seiner Vollendung war das Münster ein Rekordbau. Im Jahre 1488, genau 111 Jahre nach der Grundsteinlegung, notierte der weitgereiste Ulmer Dominikanermönch Felix Fabri die besonderen Vorzüge des Münsters: Erstens sei es die größte Pfarrkirche überhaupt und größer als viele bischöflichen Dome. Dann sei es die schönste aller Kirchen, wegen des Lichtes, das dank der Architektur in jeden Winkel dringen könne. Drittens besitzt das Münster mehr Altäre als alle anderen Pfarrkirchen, nämlich 51. Und die würden, samt den dazugehörigen Geistlichen, ausschließlich von Ulmer Bürgern finanziert. Weiter behauptet Fabri, sei das Münster besser besucht als alle anderen Kirchen der ganzen Christenheit. Und es finde sich keine Pfarrei, in der täglich so viele Kinder getauft würden (durchschnittlich 5).
Während des Münsterbaus geschah jedoch auch ein Unglück. An jenem Sonntag des Jahres 1492 stürzten zwei Steine während der Mittagspredigt aus dem Gewölbe in die Kirche. Die Menschen flohen aus dem Gotteshaus, denn sie meinten, das Münster "wollte umfallen". Aber die Steine trafen niemanden. Dieses Absenken des Turms wurde stets als der Grund angegeben, warum der Bau nicht mehr wesentlich über den 1494 vollendeten Viereckskranz hinausgeführt wurde. Zwar hatte der damalige Münsterbaumeister Matthäus Böblinger bereits mit dem nächsten Abschnitt begonnen, der einen achteckigen Grundriß hat. Doch der wurde nach fünf Metern beendet und dann mit einem pyramidenförmigen Notdach geschützt. Böblingers Nachfolger Burkhard Engelberg gilt als Retter des Münsters. Dadurch, dass er die noch relativ neuen Seitenschiffe teilte, verhinderte er, dass die Spannungen die Kirche zerrissen.
Bis 1874 stand auf dem Platz vor dem Münster ein Franziskanerkloster. In den 1970er Jahren wurde der Platz als Parkplatz genützt.
Das Münster fand für viele Firmenzeichen und Firmennamen Verwendung. Das wohl bekannteste Symbol ist wohl das des in Ulm ansässigen Feuerwehrausrüsters und Fahrzeugbauers Magirus (heute Iveco Magirus). Er machte das Ulmer Münster 1917 zum zentralen Bestandteil seines Markenzeichens. Nachdem dieses anno 1925 neu gestaltet wurde, zeigte es aber nur noch die stilisierte Spitze des Münsters über einem "M" für Magirus. Nach der Übernahme von Magirus durch Humboldt-Deutz schmückte die neue Fassung dann die Lastwagen der Marke Magirus-Deutz, die das Markenzeichen mit der Spitze des Ulmer Münsters in über 100 Länder der Welt verbreiteten. Nach der Eingliederung von Magirus-Deutz in IVECO verschwand es von den Lastwagen, wurde aber zum Firmenzeichen der heutigen Deutz AG. Die alte Fassung des Magirus-Firmenzeichens von 1917, die noch das ganze Ulmer Münster zeigt, legt heute im Signet des Oldtimerclub Magirus IVECO e.V. fort, der sich um den Erhalt historischer Nutzfahrzeuge von Magirus, Magirus-Deutz und Iveco kümmert.
Wenn ich in Ulm bin, nehm ich mir unheimlich gerne die Zeit und geh durchs Münster oder setz mich in eine Bank und schau mir das Münster an. Heilig Abend im Münster ist sowieso Ehrensache :-)
Der Ulmer Spatz
Ein Spatz ist sonst ein dummes Tier
Doch will es mich bedünken schier,
Als ob der in der Ulmer Stadt
War klüger als ein hoher Rat,
Der kläglich vor dem Tore stand,
Weil er für's Holz den Weg nicht fand,
das breit gelagert auf dem Wagen.
Das Spätzlein sah mit an die Not
Und lachte sich dort fast zu Tod.
Ein Hälmlein nahm's in seinen Schnabel.
"Ihr Herrn, ich mach es praktikabel:
Was breit nicht geht zum Tor hinein,
Das trägt man eben lang hinein."
Die Legende vom Ulmer Spatz ist Grundlage für das Wahrzeichen Ulms, dem Spatzen, dem die Ulmer als Dank – so heißt es – ein Denkmal aufs Münsterdach setzten. 1858 war er auf dem Langhaus des Münsters gelandet. Wie und wann diese Sage entstand, ist unklar. Der Historiker Hans-Martin Ungericht sieht im Ulmer Altstadt-Grundriß eine Vogelfigur, die einen Strohhalm im Schnabel hält. Erste schriftliche Hinweise auf die Verbreitung der Sage konnten im Jahr 1826 ausgemacht werden. Angeblich wurden ähnliche Geschichten bereits in Schleswig-Holstein verbreitet und man vermutet, daß der Ulmer Kunsthändler Ulrich Theodor Nübling, der als junger Mann beim dänischen Militär gedient hatte, diese Legende vom Norden nach Ulm brachte. In Ulm wurde 1842 erstmals ein Gedicht über den Spatzen veröffentlicht. Diese Version ist für die Ulmer recht vorteilhaft, da darin der Teufel seine Hand im Spiel hat. Der Fortschritt des Münsterbaus ärgert ihn, deshalb stürzt er die Bürger in Verwirrung. Erst der Spatz befreit sie aus ihrer Verblendung. Der Spatz wurde aber schon viel früher mit Ulm in Verbindung gebracht; bereits 1573 wurden die Ulmer Truppen in der Armee des Schwäbischen Kreises als "Spatzenschützen" bezeichnet. Wie auch immer die Ulmer zu ihrem Spatzen kamen, es zeigt, daß sie es verstanden haben, den ursprünglichen Spottnamen in ein Symbol der Schlauheit umzudeuten, mit dem sie sich gerne (wenn auch nicht immer zurecht) identifizieren :-) .
Das Ulmer Rathaus war früher ein Kaufhaus. Dieses Gebäude wurde 1370 erbaut. Da der Rat keine feste Bleibe hatte und in verschiedenen Gebäuden tagen musste, wurde im zweiten Obergeschoß des oben erwähnten Kaufhauses ein Sitzungssaal eingerichtet. Durch mehrere Um- und Ausbauten entstand das heutige Rathaus. Seit 1419 wird das Gebäude offiziell auch als Rathaus bezeichnet. Die Fassaden des Rathauses sind mit verschiedenen Fresken gestaltet; die Ostseite zeigt unter den Stichwörtern "Göttliche Weisheit", "Selbsterkenntnis", "Gerechtigkeit", "Geduld", "Liebe" u.v.a. biblische Motive, die Nordseite Themen aus der römischen Sagenwelt unter den Motti "Kriegs-Ehrbarkeit", "männliche Kühnheit", "Gerechtigkeit" und "Gehorsam". Welche Bilder ursprünglich an der Südfassade (zum Marktplatz hin) waren, ist nicht überliefert. 1905 wurden die fast schon völlig verschwundenen Originale rekonstruiert und es wurde beschlossen, die Südfront völlig neu zu gestalten. In den Giebel wurde eine "Ulmer Schachtel" gemalt, über der die Wappen jener Städte und Länder emporsteigen, mit denen Ulm Handel getrieben hat. Unten ist zu sehen, wie die Ulmer 1376 siegreich in die Stadt zurückkehrten – es war ihnen gelungen, Kaiser Karl IV., der die Stadt belagert hatte, in die Flucht zu schlagen. In das kleine Erker-Türmchen an der Südostecke sind der Sage nach Ratsmitglieder gesperrt worden, die gegen ihre Verschwiegenheitspflicht verstoßen hatten. Zwei der wichtigsten Kennzeichen des Baus sind die astronomische Uhr (1520) und die Huldigungskanzel (1473), beide an der Ostseite. Das Rathaus wurde 1944 durch Bomben zerstört und 1951 nach alten Plänen wieder aufgebaut. Heute befindet sich im ehemaligen Ratskeller das Restaurant "Alexandre". Die oberen Stockwerke werden nach wie vor von der Stadt Ulm als Sitz genutzt.
Das Ulmer Rathaus
Oben habe ich bereits die Astronomische Uhr an der Ostseite des Rathauses erwähnt. Diese Uhr ist mit ihren fünf beweglichen Elementen die komplexeste in Süddeutschland. Der Betrachter muß sich geistig in den Mittelpunkt der Uhr versetzen, der gewissermaßen seinen Standpunkt – die Erde – darstellt, und schon hat er zumindest einen Teil des Geheimnisses jener Himmelsuhr begriffen: Sonne, Mond und Sterne bewegen sich im Uhrzeigersinn um das imaginäre Menschenkind im Mittelpunkt. Der zweite Kreis stellt die Tierkreiszeichen dar. Dieser Ring dreht sich pro Tag um vier Minuten schneller als der Sonnenzeiger, also gerademal soviel, daß der Sonnenzeiger im Lauf eines Monats von einem auf das nächste Sternzeichen zurückfällt und so stets im gerade aktuellen Sternbild steht. Auch der Stand des Mondes wird dargestellt. Die astronomische Uhr spielt also das Himmelsszenario nach und bildet Sonnenauf- und Untergang, die Sonnwenden, die Tag- und Nachtgleiche ab. Mir und vielen anderen stellt sich bei dieser komplizierten, aber erstaunlichen Uhr die Frage, warum die Ulmer sich schon vor Jahrhunderten so ein Wunderwerk geleistet haben, das zu entziffern sogar im Raumfahrtzeitalter nicht einmal einem überdurchschnittlich gebildeten Oberstudienrat ohne eingehende Vorstudien gelingt. Offenbar gab es eine Verbindung zwischen der Volksmedizin und dem Lauf der Sterne, die sich an der Ulmer Rathausuhr ablesen lässt. Wann die ehemalige Schlaguhr durch die astronomische ersetzt wurde, ist nicht überliefert. Ein Stadthistoriker tippt auf 1520. Bekannt ist allerdings, daß die Ulmer anfangs Schwierigkeiten mit ihrer Uhr hatten und erst ab 1579 lief sie wie sie sollte. 1905 wurde ihr Uhrwerk durch ein neues (nachgebaut nach dem alten) ersetzt und der Takt der Uhr wird seit 1978 über eine Funkuhr von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig ferngesteuert.